Wie wir durch die Corona-Krise gekommen sind

31. März 2023

Im Januar 2020 war Covid-19 noch eine unbekannte Virus-Erkrankung, im März 2020 kam ein vollständiger Lockdown mit Verbot elektiver (wählbarer, also nicht notfallmäßiger) Operationen – hinter uns liegt eine Achterbahnfahrt. 

Dabei fing das Jahr 2020 ganz harmlos an

Ehrgeizige Ziele, wieder mehr Operationen, wieder einige innovative Projekte in der Klinik. Alles wie immer, das beherrschende Thema war allein der Personalmangel in allen Bereichen. Dann kam Corona wie ein Tsunami über uns.

Vorzeitige Umrüstung

Im 2-Tagesrhythmus traf sich bei uns die neu eingerichtete „Hygienekommission Corona“. Wir diskutierten die neuesten wissenschaftlichen Arbeiten, die Vorgaben vom Robert-Koch-Institut, Regierung und Gesundheitsamt.  Die Bestellung von FFP2-Masken, Corona-Schnelltests, Schutzausrüstung und medizinische Güter leiteten wir frühzeitig ein. Dann die Vorgaben seitens der Regierung: Besuchsverbot im Krankenhaus, Mund-Nasen-Schutz, Pandemieplan, Schutzausrüstung. Allen diesen angeordneten Maßnahmen waren wir in unserer Klinik immer zwei bis drei Wochen voraus. Dennoch war die Unsicherheit groß: Worauf soll man sich vorbereiten? Welche Rolle wird unsere Klinik spielen? Am Ende entscheidet das Gesundheitsministerium mit dem von ihm eingesetzten regionalen Krisenstab. 

Unterstützung des Thoraxzentrums in Münnerstadt

Unser Personal verstärkte das Thoraxzentrum in Münnerstadt, das als 2. Verteidigungslinie hinter den Corona-Schwerpunktkliniken steht. Das zurückgebliebene Kernteam übernahm die unfallchirurgischen Notfälle. Dabei sind auch Corona-positive Patienten. Den ersten Patienten operierte ich selbst, um zu sehen, wie unser Hygienekonzept funktioniert. Ja, es funktioniert. 

Geheimnis des Erfolgs: Maßnahmenbündel

Italienische oder französische Verhältnisse blieben uns in Deutschland erspart. Was im Nachhinein dafür verantwortlich war, werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Als Krankenhaushygieniker denke ich ohnehin in sogenannten Maßnahmenbündeln: Hygiene besteht fast nie aus Einzelmaßnahmen, sondern aus Kombinationen. Während ein Einzeleffekt kaum beweisbar ist, zeigt sich, dass die Maßnahmen gemeinsam hochwirksam sind. 

Stetige Gefahr eines Mikroausbruchs

In unserer Frühbesprechung sahen wir uns jeden Tag die Zahlen der Johns-Hopkins-University in Baltimore an. Von 78.000 aktiven Infektionen zum Zeitpunkt des Höhepunkts fiel die Zahl immer weiter ab. In der Presse wurde immer häufiger von sogenannten „Superspreadern“ berichtet – ein Infizierter steckte eine ganze Kirche oder Hochzeitsgesellschaft an. Oder eine Fleischfabrik mit über 1.000 Infizierten. Was bedeutet das für ein Krankenhaus? Speziell für eine hochspezialisierte operative Fachklinik? 

Wir können uns keine einzige Infektion leisten

Die Antwort war einfach: Wir können uns keine einzige Infektion leisten. Wir können uns weder leisten, dass sich ein Patient in unserem Haus infiziert, noch, dass ein Patient einen unserer Mitarbeiter ansteckt. In der Praxis hieß das: Der Sicherheitszaun muss so hoch wie möglich bleiben. Konkret bestand unser Hygienekonzept immer aus den 3 Teilen: 

  • Abstand und Kontaktbeschränkung
  • Testung von Patienten und Personal
  • Mund-Nasen-Schutz / FFP2-Maske


Notfall-Operationen

Auch in der Schlossklinik Werneck gibt es Unfälle und Verletzungen bei Patienten mit aktiver Corona-Infektion, die selbstverständlich versorgt werden müssen. In den vergangenen drei Jahren haben wir unser Hygienekonzept dahingehend noch einmal intensiviert, so dass die Behandlung von Corona-Patienten kein besonderes Risiko darstellt.

Engere Verzahnung zwischen Klinik & Reha

Viele Reha-Kliniken nahmen nur noch Patienten an, die ein negatives Testergebnis mitbringen. Die engere Verzahnung zwischen Akutklinik und Reha war aber ein positiver Nebeneffekt. Es blieb die Kontaktminimierung. Die wichtigste Vorarbeit hier war die Entwicklung des SchnellFit®-Rehabilitationskonzepts. Ein Patient mit Hüft- oder Knie-Endoprothese bleibt dadurch nur noch für 3 Tage postoperativ in der Klinik. Für diesen Zeitraum erscheint der Verzicht auf Besuch von außen zumutbar.

Nachholbedarf bei Operationen

Mit der Zeit bestand ein erheblicher Nachholbedarf bei den Operationen. Die nach außen verliehenen Kollegen kamen wieder zurück. Ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl war und ist trotz oder wegen des Virus spürbar. Der Wert des Arbeitsplatzes in einer Spezialklinik ist vielleicht für den einen oder anderen bewusst geworden. Die Freude, wieder daheim zu sein, war und ist jedenfalls spürbar.

Ausblick

Was bleibt? Corona bleibt – und damit auch die Veränderung unseres bisher gewohnten Lebensstils. Auch bleibt die Hoffnung, dass Bevölkerung und Politik realisieren, dass Medizin nicht zum Nulltarif zu haben ist. Tatsächlich haben wir es den Krankenhäusern in der Fläche zu verdanken, dass Deutschland die niedrigste Anzahl von Todesfällen zu beklagen hatte. Krankenhäuser sind eben nicht nur unzureichend ausgelastete Kostenfaktoren. Das Vorhalten von ausreichenden Krankenhauskapazitäten ist essenzielle Daseinsfürsorge. 

Hygiene allgemein

Neben einem bewussteren Umgang mit der Ressource Gesundheitsversorgung bleibt auf eine tatsächliche „Wertschätzung“ für das Personal im Krankenhaus zu warten. Hygiene allgemein und insbesondere im Krankenhaus wird in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert erhalten. Als Krankenhaushygieniker hoffe ich natürlich, dass dieser Effekt etwas länger anhält. Unsere Patienten haben unsere Sicherheits- und Hygienekonzepte immer wertgeschätzt.

Mein Rat: Suchen Sie für Ihre Operation nach einem Krankenhaus mit überzeugenden Konzepten.